Arbeitsrechtliche Kommission des Caritasverbandes verweigert notwendige Zustimmung.
Mit Verwunderung war am 25.02.2021 den Medien zu entnehmen, dass ein allgemein verbindlicher und flächendeckender Tarifvertrag in der Altenpflege am Widerstand des Caritas-Verbandes gescheitert ist. Eine für viele Menschen nicht nachzuvollziehende Entscheidung.
Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas begründet ihre Verweigerungshaltung damit, dass der von derBundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche und der Gewerkschaft Ver.di ausgehandelte Tarifvertrag, der von Bundesarbeitsminister Heil für die Pflegebranche für allgemeinverbindlich erklärt werden sollte, in die Strukturen des Tarifgefüges der Caritas eingreife.
Unstrittig ist, dass der Caritas-Verband seinen Beschäftigten in den verbandseigenen Alten- und Pflege-Einrichtungen ein relativ gutes Gehalt zahlt. Aber nicht jeder Arbeitgeber in der Altenpflege bezahlt seine Mitarbeitenden so gut. Vielmehr vergüten insbesondere Arbeitgeber in privater Trägerschaft einen sehr geringen Lohn. Das führt u. a. dazu, dass die Zahl der Pflegekräfte nicht in dem erforderlichen Ausmaß gegeben ist. Der Pflegeberuf ist für viele von ihnen nicht mehr attraktiv genug. Zahlreiche Pfleger/-innen geben ihren Arbeitsplatz auf. Die Zahl der neuen Fachkräfte kann die vorhandenen Personallücken bei weitem nicht schließen.
Im Gegensatz zur Auffassung des Caritas-Verbandes ist der abgelehnte Tarifvertrag ein sehr geeignetes Instrument, den aktuellen Pflegenotstand zu minimieren. Denn ein solcher Vertrag würde vielen dort Beschäftigten deutlich mehr Einkommen bringen. Er wäre zugleich ein starkes Signal für junge Menschen, sich für einen Pflegeberuf zu entscheiden. Das abgelehnte Tarifwerk führt in mehreren Teilschritten zu einer Steigerung gegenüber dem bisherigen Pflegemindestlohn von insgesamt etwa 25 Prozent. Danach würden im Juni 2023 bei einer 39-Stunden-Woche mindestens folgende Monatsgehälter gezahlt: 2.440,00 € für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer, 2.585,00 € für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung und 3.180,00 € für Pflegefachpersonen. Pflegekräfte hätten außerdem künftig Anspruch auf mindestens 28 Urlaubstage pro Jahr und ein zusätzliches Urlaubsgeld von mindestens 500,00 €.
Der Caritas-Verband zahlt seinen in der Pflege Beschäftigten aktuell eine Vergütung in Höhe von durchschnittlich 3.260,00 €, für eine Pflegehilfskraft ca. 2.400,00 € und für Pflegehelfer ab dem 5. Beschäftigungsjahr etwa 2.825,00 €. Mit diesen Vergütungen übertrifft er die durchschnittlich gezahlten Löhne in der Pflege bei weitem. Denn im Mittel verdienen Pflegefachkräfte derzeit mit etwa 2.740,00 € erheblich weniger.
Dass die Caritas eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen anbietet als die im abgelehnten Flächentarifvertrag vorgesehenen, sollte kein Grund sein, Verbesserungen anderswo zu verhindern. Mit ihrer ablehnenden Haltung kann die Arbeitsrechtliche Kommission des Caritasverbandes zwar ihren Sonderweg aufgrund der Sonderstellung der Kirchen betonen, nicht aber zu besseren Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigte in der Altenpflege beitragen. Diese sind jedoch in Anbetracht der geografischen Entwicklungen sowie den derzeitigen Zuständen in der Pflege zwingend notwendig. Doch entsprechend den Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes kann die bundesweite Ausdehnung eines Tarifvertrags nicht ohne die Zustimmung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie in Kraft treten.
In folgendem Punkt ist die Sorge der Caritas durchaus berechtigt: Es drücken nicht nur private Anbieter wegen einer Gewinnmaximierung die Löhne für in der Pflege Arbeitende. Auch Krankenkassen geben einen Kostenrahmen vor, der diejenigen begünstigt, die auf Tarifverträge wenig Wert legen. Die Sorge der Caritas, die eigenen, höheren Löhne nicht mehr refinanziert zu bekommen, wenn es einen allgemeinen Tarifvertrag gibt, ist nicht unberechtigt. Hoffentlich gelingt es den Mitgliedern in der Pflegekommission sich dafür einzusetzen, dass möglichst schnell die Kostenträger in der Altenpflege nur noch mit Anbietern zusammenarbeiten dürfen, die ihre Mitarbeitenden nach Tarif beschäftigen und bezahlen.
Auch der Landeseniorenrat Niedersachsen kritisiert die Entscheidung des Caritas-Verbandes. Hier seine Stellungnahme.